Hallo Karl,
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Der Energiestau passiert nicht nur vor den Klemmen !
Die Energiedichte erhöht sich mit der von der Last zum
Generator zurücklaufenden Staufront. Danach herrscht
an jedem Punkt der Leitung 1) eine um denselben Faktor
höhere zeitlich gemittelte Energiedichte und 2) gleichzeitig
ein um denselben Faktor reduzierter effektiver Energie-
fluss als im angepassten Fall. Relativ zum angepassten
Fall herrscht also im eingeschwungenen Zustand ein
Energiestau auf der gesamten Leitung (wie in meinem
Artikel im Abschnitt "Wirkleistung und Blindleistung"
erläutert ...)
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In Deinem Beitrag stand etwas von 'reiner Wirkleistung im Volumenelement am Lastende', und ich hatte unglücklich vom Energiestau vor den Klemmen geschrieben. Beides war wohl richtig gemeint und etwas missverständlich formuliert.
Wir stimmen überein, dass (im eingeschwungenen fehlangepassten Zustand) auf der ganzen Leitung Blindleistung auftritt. Ausdrücklich davon ausnehmen will ich aber die speziellen Punkte im Abstand von Lambda/4, so wie in meinem Beitrag vom 8.8.11 12:07 beschrieben.
Deinen Artikel mit dem Modell des Supermarktes, den Kunden, der Kaufkraft usw. habe ich gelesen, ein interessanter Ansatz. Bei den ganzen Fragen zu Leitungen sind passende Bilder doch sehr hilfreich. Da Kaufkraft (Energie) von Geld herrührt, dass Besucher durch den Gang (die Leitung) tragen, denken vielleicht doch wieder Leser an den Transport von Ladungsträgern, an einen Stromfluss. Die Personen im Modell stellen die Wellen dar, also transportiert eine Welle doch Ladungsträger, oder? (Hoffentlich irre ich mich, und es denkt doch niemand so.) Und schließlich laufen die reflektierten Leute aneinander vorbei (betrachtet mit dem Zoomobjektiv), da fließt also die reflektierte Energie doch zum Eingang (zur Quelle) zurück?
Das Modell hat einfach gewisse Beschränkungen. Es basiert auf der Bewegung von Personen / Sachen in Längsrichtung, wo sich auf Leitungen noch lange nichts längs der Leitung bewegen muss. Für Longitudinalwellen könnte man das sicher einfacher passend machen. Wie soll man aber Transversalwellen vernünftig veranschaulichen und dann noch mehrere mit Phasenverschiebung? Beide zusammen müssen dann noch den Transport von etwas bewirken.
Hat man schon eine halbwegs richtige Vorstellung von den Vorgängen auf Leitungen, kann das Modell zusätzlich einprägsame Bilder liefern. Will sich jemand überhaupt erst einmal orientieren und hat vielleicht schon falsche Vorstellungen intus, dann sehe ich das problematisch.
Einen besseres Modell auf dieser sehr anschaulichen Ebene kann ich aber im Moment auch nicht anbieten. Vielleicht hilft es ja auch schon, sehr komplexe Vorgänge auf Leitungen auf einfachere Zusammenhänge der E-Technik zurückzuführen. Hat man diese Zusammenhänge verinnerlicht, kennt man die entsprechenden Gesetze, dann ermöglicht es ein besseres Verständnis der Leitungsvorgänge.
Zu Deinem „Energiestau“: ein Stau assoziiert mitunter Stehenbleiben. Bei EM-Wellen sind Strom und Spannung ständig „in Bewegung“, das passt nicht recht zum Stau. Ich will den Zustand lieber Speicherung von Energie nennen. Und doch ist das „Stehenbleiben“ von Energie nicht ganz falsch. Warum? Das will ich kurz skizzieren. (Ich skizziere kurz das mathematische Herangehen. Für die komplette mathematische Darstellung fehlt mir im Moment die Zeit.) Dabei fällt gleich noch eine Betrachtung der Leistung mit ab.
[b:4i0cstal]Wir betrachten zuerst die vollständige Reflexion an einer verlustlosen Leitung.[/b:4i0cstal] Die anderen Fälle können dann mit der gleichen Methode behandelt werden. Es wird allerdings unübersichtlicher. Der Allgemeingültigkeit wegen nehmen wir eine Leitung, auf der mehrere Lambda / 4 Platz haben, der Anschaulichkeit wegen vielleicht wenigstens 2 Lambda. Kürzere Längen können aus der folgenden Betrachtung abgeleitet werden.
Durch die Addition der Spannungswellen ergibt sich die stehende Spannungswelle. Die Nulldurchgänge bleiben stets am selben Ort und werden als Spannungsknoten bezeichnet. Genau in der Mitte zwischen diesen Knoten entstehen die Spannungsbäuche mit der doppelten Amplitude bezogen auf die hinlaufende Welle (U_st = U_hin + U_rück mit U_rück = U_hin). Mit Ausnahme der Spannungsknoten haben alle anderen Stellen auf der Leitung einen harmonischen zeitlichen Verlauf der Summenspannung, wir nehmen hier den Cosinusverlauf. Die Entstehung der stehenden Welle ist auf
http://www.hf.ruhr-uni-bochum.de/lehre/ ... nlauf.html schön visualisiert.
Die stehende Stromwelle wird über die Subtraktion i = i_hin – i_rück gebildet. Dadurch sind die Knoten der Stromwelle genau dort, wo die Spannungsbäuche auftreten, und die Strombäuche treten an den Stellen auf, wo sich die Spannungsknoten befinden. Das ansonsten für die stehende Spannungswelle gesagte gilt entsprechend für die Stromwelle. Zwischen der stehenden Spannungswelle und der stehenden Stromwelle besteht eine örtliche Verschiebung um Lambda / 4 (, das Vorzeichen spielt hier für die weitere Betrachtung eine untergeordnete Rolle.)
Betrachten wir nun die zeitliche Relation zwischen stehender Spannungs- und stehender Stromwelle. Die harmonischen Verläufe sind um eine viertel Periode (+ / -90 Grad) verschoben (, auch hier spielt das Vorzeichen für die weitere Betrachtung eine untergeordnete Rolle.) Wegen dieser Phasenverschiebung ergibt sich ein zeitlicher Sinusverlauf. Auf
http://www.hf.ruhr-uni-bochum.de/lehre/ ... tung1.html gibt es auch hierfür die entsprechende Visualisierung. (Die Bildwiederholrate möglichst klein einstellen.)
Wir untersuchen zuerst den zeitlichen Verlauf an einer bestimmten Stelle der Leitung, nur nicht gerade an einem Knoten. Dazu halten wir den Ablauf innerhalb einer Periode vier mal an (<Pause>), in jeder viertel Periode einmal. (Vorschlag: Spannungswelle an einer Stelle der Leitung beobachten und in folgenden Positionen pausieren: positiver Wert und steigend, positiver Wert und fallend, negativer Wert und fallend, negativer Wert und steigend.) Die jeweilige örtliche Leistung erhalten wir durch Multiplikation des Spannungs- mit dem Stromwert an dieser Stelle. Uns interessiert vorerst nur das Vorzeichen. Dieses wechselt jedes Mal. Während jeder Periode wechselt die Leistung vier mal die Richtung. Die Symmetrie der Funktionen (Kurven) sagt uns, dass der zeitliche Mittelwert 0 sein müsste. Wir haben reine Blindleistung, jedoch nur zwischen den Knoten. An den Knoten ist die Blindleistung Null und in der Mitte dazwischen vermutlich am größten.
[b:4i0cstal]Fazit 1:[/b:4i0cstal] Die Energie fließt, aber nur innerhalb der Lambda / 4 langen Leitungsstücke.
[b:4i0cstal]Fazit 2:[/b:4i0cstal] Die Energie bleibt in diesen Leitungsstücken gespeichert. Über die Knoten erfolgt kein Energiefluss (keine Leistung.)
[b:4i0cstal]Fazit 3:[/b:4i0cstal] Da die Energie gespeichert bleibt, muss die Leistung Blindleistung sein. Da (nach unserer Festlegung) die Spannung zeitlich der Cosinus- und der Strom der Sinusfunktion folgen, liegt auch die für Blindleistung bekannte Phasenverschiebung von +/- 90 Grad zwischen Strom und Spannung vor. (Egal wie wir die Cos- und Sinusfunktion zuordnen, die 90 Grad Phasenverschiebung besteht immer.)
Untersuchen wir nun die Leistung entlang der Leitung zu bestimmten Zeiten. Dazu halten wir die Darstellung so an, dass keine stehende Welle gerade Null ist. Die jeweilige örtliche Leistung erhalten wir wieder durch Multiplikation des Spannungs- mit dem Stromwert an dieser Stelle. Uns interessiert wieder vorerst nur das Vorzeichen. Zwischen zwei benachbarten Knoten, auf dem Lambda / 4 langen Leitungsstück, ist das Vorzeichen des Produkts einheitlich. In den benachbarten Lambda / 4 langen Leitungsstücken sind die Vorzeichen genau entgegengesetzt dazu. Es besteht eine Kette wechselnder Vorzeichen. Der Wechsel erfolgt immer an der Stelle eines Knotens.
Betrachten wir nun noch den Wert des Produkts, auch wenn wir diesen aus der Grafik nicht genau bestimmen können. Wegen der Symmetrie der Funktionen und den konstanten Amplituden über die Leitungslänge können wir wieder mit gutem Gewissen vermuten, dass die Beträge der Leistung an vergleichbaren Stellen gleich groß sind.
[b:4i0cstal]Fazit 4:[/b:4i0cstal] Auch hier erhalten wir rein lokale Energieflüsse innerhalb der Lambda / 4 langen Leitungsstücke.
[b:4i0cstal]Fazit 5:[/b:4i0cstal] Bezüglich der Leistungen verhalten sich alle Lambda / 4 Abschnitte der Leitung gleich, nur halt mit alternierenden Richtungen. Das bestätigt die Feststellung, dass es im betrachteten Fall keinen durchgehenden Leistungsfluss über die ganze Leitung gibt.
Nun noch zur Energiedichte. Hier gehen wir vom kapazitiven und vom induktiven Leitungsbelag aus. Das vereinfacht die Behandlung gegenüber dem expliziten Ansatz von Feldern. (E_el hängt von u ab und E_ma von i.) Wir rechnen dann mit einem Energiebelag, der Energie pro Länge, also der Energiedichte. Die gespeicherte Energie ist proportional zum Quadrat der Spannung bzw. zum Quadrat des Stromes. Wir nutzen die Formeln für den Wellenwiderstand: Z_0 = SQRT ( L' / C') und für die Energie in L und in C. Außerdem sind die Amplituden (nicht die Momentanwerte!) der stehenden Spannungswelle und der stehenden Stromwelle nur über Z_0 verknüpft. Damit erhalten wir sofort eine Gleichheit der am Ort des Strombauches gespeicherten Energie zu der am Ort des Spannungsbauches gespeicherten Energie. Die zeitliche Mittelwertsbildung enthält das Quadrat von Spannung (t) bzw. Strom (t), bezieht sich damit im Ergebnis auf die Quadrate der örtlichen Effektivwerte von Spannung bzw. Strom.
Wie groß ist die Energie an den anderen Stellen der Leitung? Erinnern wir uns, dass der harmonische Spannungs- und der harmonische Stromverlauf entlang der Leitung immer um 90 Grad zueinander (Lambda / 4) phasenverschoben sind. Wir hatten der Spannung die ortsabhängige Cos- und dem Strom die ortsabhängige Sinusfunktion zugeordnet. Die zeitlich gemittelte Gesamtenergie ergibt sich zu E(z) = E_el(z) + E_mag(z). Daraus und aus den Beziehungen im vorherigen Absatz folgt E ~ u (z)^2 + u(z– Lambda/4)^2. Der zweite Summand ergibt sich aus dem örtlichen Strom bei z. Mit den Winkelfunktionen ergibt sich E ~ cos^2 (z) + sin^2 (z) und schließlich E ~ 1. Das zeitliche Mittel von E ist also an jeder Stelle z der Leitung konstant.
[b:4i0cstal]Diese Energie wird auf der Leitung gespeichert. Lokal pendelt sie zwischen dem E- und dem M-Feld.[/b:4i0cstal] Insoweit könnte man den Begriff Energiestau akzeptieren, allerdings klingt er mir zu statisch.
Ich hoffe, dass ich nicht noch einen Fehler eingebaut habe. Die Vorzeichen der Verschiebungen von 90° oder Lambda / 4 bei den stehenden Wellen sind ja zum Glück wenig interessant. Für die Energie wird quadriert und für die Leistung interessiert eher die Abfolge der Vorzeichen. Aber um die Fehlerfreiheit besser beurteilen zu können, müsste ich die Mathematik komplett ausarbeiten, was wegen Zeitknappheit ... usw. usw.