Hallo Ulrich,
Hier ist ja erstmal das Meiste gesagt, deswegen bin etwas abgetaucht und habe mich in Rechnereien vergraben. Mit dem Stoff aus dieser Diskussion will ich das jetzt mal versuchen nachzurechnen. Spannend was man noch für Details findet, wenn man sich mal intensiv mit der Materie beschäftigt.
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Du sagst "Die Blindenergie fließt immer sofort während der nächsten Halbperiode zurück", also ist sie während der vorangegangenen Halbwelle in die Leitung geflossen.
Damit ist der Energiefluß durch den Leitungseingang nicht Null und ich bekomme Probleme dieses Detail mit Deiner vorher gemachten Aussage, daß keine Energie in den Sender zurück fließt, unter einen Hut zu bringen.
Vielleicht könntest Du hier noch ein paar erklärende Worte machen, was Du da meinst.
[color=blue:19lgek8a]Die Aussage, zu der ich weiterhin stehe: es fließt keine Energie der vom Leitungsende reflektierten Welle zurück in den Sender.
Daß während der zweiten Schwingungshälfte wieder Strom zum Generator zurückfließt, ist aber doch keine spezielle Eigenschaft des Blindwiderstands oder der Fehlanpassung, das passiert in jedem Wechselstromkreis. Selbst bei perfekter Anpassung RG=50 Ohm, RL=50 Ohm, ganz ohne Leitung, würde nach dieser Vorstellung 25% der Energie wieder zum Generator zurückfließen, denn RG verbrät schon 'mal die halbe Leistung, davon ist wieder die Hälfte auf zurückströmende Ladungsträger zurückzuführen... Irgendwie bringt das keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn, das einzige, was den Blindwiderstand ausmacht, ist seine 90-Grad-Phasenschiebereigenschaft.
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Äh, nein. Bei perfekter Anpassung haben wir ja keine rücklaufende Welle - die Energie fließt dann nur ein eine einzige Richtung, nämlich in Richtung Last. In dem Falle ist die in der Leitung gespeicherte Leistung ja auch konstant. Wenn in dem Fall der Strom zurück in den Sender fließt ist auch die Spannung negativ - schlampig formuliert, aber Du erkennst was ich meine.
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Vorsicht: in meinem Beispiel gibt es doch gar keine Leitung und keine Welle: Es gibt nur den Generator mit angeklemmter Last
a) ZL=Ri+j0
b) ZL = 0 -jXC
Wir haben es also nur mit einem Anpassungsproblem zu tun. Um meßtechnisch bestimmen zu können, ob in der schwarzen Box mit der Aufschrift "ZL" nicht doch noch eine Leitung des Typs "NOLOSS" steckt, mußt Du den stationären Zustand verlassen, daran geht kein Weg vorbei.
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Für Beantwortung der Frage, ob Blindenergien über den Leitungseingang pendeln ist keine Leitung mehr erforderlich - die Ersatzschaltung durch die Ersatzimpedanz ist dafür genauso geeignet. Ich betrachte dabei natürlich schon den stationären Fall, nur halt auf der Zeitskala innerhalb einer Periode.
Das Problem ist wohl das Verständnis von Wirk- und Blindleistung. In dem Aufsatz, den ich hier schonmal verlinkt hatte (
http://www.siart.de/lehre/leistung.pdf) ist auf Seite 2 eine schöne Defintion und auch eine Herleitung von Wirk- und Blindleistung bei sinusförmigen Strömen und Spannungen zu finden. (Etwa auf dieser Ebene versuche ich übrigens, die Vorgänge auf der Leitung mal durchzurechnen.)
Sobald also Z1 (die Ersatzimpedanz) komplex wird, haben wir es mit Blindleistungen zu tun - und das wiederum ist gleichbedeutend mit einem Austausch von Blindenergie zwischen Leitung und Sender, also insbesondere auch einem Rückfluß von Energie in den Sender während der Hälfte einer Periode.
Also muß die Aussage "Es fließt keine Leistung in den Sender zurück" mindestens präzisiert werden.
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Wenn man sich aber nur den Energieinhalt auf der Leitung anschaut und feststellt, daß der schwankt, dann muß für den Fall daß die Energie in der Leitung abnimmt diese Energie zurück in den Sender fließen - woanders sollte sie hin?[/quote]
Durch Parallelschalten der entsprechenden konjugierten Reaktanz mit den Eingangsklemmen könnte man wieder dafür sorgen, daß kein Strom durch RG fließt; anschließend kann man die Leitung wieder vom Generator trennen und beobachtet erneut den "Akkueffekt".
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Man könnte - natürlich. Aber das ändert natürlich die Situation. Ich sage ja nicht, daß _immer_ Blindenergie zwischen Sender und Leitung pendelt.
[quote][quote]Wir kommen jetzt also zu meiner Ausgangsfrage zurück und die ist vielleicht etwas esotherisch. Ganz platt gesagt lautet sie hier: Ist die Energie in der Leitung in dieser Situation dann in Ruhe, pendelt sie ein bißchen hin und her oder kreist sie auf der Leitung?
Kann man eine kreisende Energie eigentlich messen? Vermutlich nicht.
[color=blue:19lgek8a]ohne Energieentnahme direkt erst einmal nicht. Verlustlose Spannungsmessungen sind aber kein Problem. ==> aus dem beobachteten Muster (stehende Welle) läßt sich dann auf die Existenz einer hin- und rücklaufenden Welle schließen, die jeweils die halbe Gesamtenergie transportieren.
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Die Spannungsverteilung auf einer Leitung kann man messen - ja. Und diese Spannungsverteilung kann man sehr gut mit dem Modell von hin- und rücklaufenden Spannungswellen beschreiben. Bis hierhin stimme ich zu. Nur hat man damit noch keine Energien [b:19lgek8a]gemessen[/b:19lgek8a]. Der Schritt zur Energie war da erstmal nur ein mathematischer.
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Das Problem verstehe ich nicht: der Generator liefert (zur Vereinfachung) während der einfachen Laufzeit t=Leitungslaenge/c Energie in die kurzgeschlossene Leitung. Dann trennt man die Leitung ab, und jetzt soll noch die Frage gestellt werden, wo sich diese Energiemenge W=P*t befindet? Technisch sollte es jedenfalls kein Problem sein, diese Energie hinterher wieder mit dem "Akku"-Versuch einzusammeln, oder im Fall einer nicht verlustfreien Leitung tatsächlich die Erwärmung zu messen.
Außerdem steht noch die Möglichkeit der diskreten Modellierung (LC-Kettenleiter) zu Verfügung.
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Äh, nein. Daß in der Leitung zu einer beliebigen Zeit (nach der Aufladungsphase) eine in der Summe konstante Energiemenge gespeichert ist, steht (für mich) außer Frage.
Es geht für mich hier sozusagen um den "Bewegungszustand" dieser Energie auf der Leitung.
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[quote][color=blue:19lgek8a]Nunja, der Begriff "kreisend" scheint mir etwas schwammig zu sein. Es gibt zwei Energieströme, einer zum Leitungsende hin, einer in Gegenrichtung.[/color:19lgek8a][/quote]
Bleiben wir beim bei diesem Bild. Nehmen wir eine Wasserleitung in der es einen hin- und einen rücklaufenden Strom gibt (wie auch immer die aneinander vorbei kommen). Was ist mit den Leitungsenden? Genau da liegt für mich das Problem.
Man muß die Ströme am Leitungsende jeweils umbiegen - und dann kommt ein über die gesamte Länge der Leitung kreisender Strom raus. Das ist das Bild daß sich ergibt, wenn man hin- und rücklaufende Energieströme annimmt.[/quote]
Das Bild "kreisender Energiestrom" paßt für mich besser zum Schwingkreis, dort pendelt die Energie zwischen L und C hin und her.
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Das ist halt das Bild, das sich zwangsläufig ergibt wenn man von hin- und rücklaufender Leistung spricht.
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[quote]falls das nur reine Rechengrößen wären, würde aber doch der "Akku"-Versuch nicht funktionieren.[/quote]
Auf den ersten Blick nicht, stimmt. Ein Argument, daß es im Ergebnis dann zu berücksichtigen gilt. Aber es ist dummerweise nicht das einzige.
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nunja, im allgemeinen Fall schaltet man wie oben eine verlustlose Kompensationsreaktanz parallel und kann das Ergebnis wieder auf den L/4-Stub zurückführen.
Ich denke, daß die ganzen Fehlinterpretationen (Leistung kommt zurück und wird im Sender wieder in Wärme umgesetzt) aus der irrigen Annahme kommen, man könne den Impulsfall (wo sie ja stimmen) auf den kontinuierlichen Sinusfall übertragen. [/quote]
Diese Interpretation kommt wohl aus einer (falschen) Analogie zur Gleichspannungsquelle, die man als für Wechselspannung durchsichtig sieht.
Dadurch daß das andere Ende von Ri nicht konstant auf Masse liegt, sind die Verhältnisse anders. Aber trotzdem gibt es eine Art von Anpassung, denn im Falle Ri = ZL ist die Leitung nach Ankunft der rücklaufenden Welle eingeschwungen, während das in anderen Fällen nicht der Fall ist - da schwingt sich der stationäre Zustand erst langsam ein.
Diesen Prozeß will ich versuchen zu beschreiben weil ich darüber noch keine vernünftigen Aufsätze gefunden habe.
[quote]Dabei ist alles viel einfacher: eine 50-Ohm-Leitung, die mit SWR=3 25% der Leistung reflektiert, bewirkt an einem P=100-Watt-Generator mit Ri=Z0 eben nur, daß dieser für t>2*laenge/c nur noch konstant 75 Watt in den Leitungseingang abliefert. Die in Ri verbratene Leistung kann dabei zwischen den beiden Extremen 25 Watt und 225 Watt liegen (allein daraus läßt sich schon ersehen, daß reale Amateursender nicht so einen "Ri" haben können, und daß nicht die reflektierte Leistung den Ri aufheizt). Dieser Wert hängt jedoch nicht vom SWR, sondern nur von der Länge ab. Sobald man den Sender abschaltet, wird aus der Leitung noch die anfangs gespeicherte Energiemenge (100W+25W)*laenge/c wieder abfließen.[/quote]
Auf- und Entladung der Leitung sind klar. Aber dann wird Deine Erklärung etwas unklar. In welcher Weise hängt die in Ri verbratene Leistung von der Länge ab? Und wieso hat das SWR keinen Einfluß drauf?
Ich denke aber, daß man die Leistung, die in Ri verbraten wird durchaus mit einem ohmschen Widerstand erklären kann. Wenn ein Ohmscher Widerstand mit einer komplexen Impedanz belastet wird, dann erwarte ich eigentlich genau diese Effekte. (diese Impedanz ist die Ersatzschaltung aus Lastimpedanz und Leitung im eingeschwungenen Fall.) Meine Formeln sind aber noch(?) nicht hübsch genug - ich könnte das im Moment nur an Spezialfällen darstellen.
Du sagtest her am Anfang mal
[quote]Diese Überlegungen mit "Umbau auf Spannungsanpassung" kann man komplett vergessen. In früheren Jahren wurden solche Beispiele manchmal in der Aprilausgabe gebracht, ...[/quote]
Hast da vielleicht Links, damit ich diesen Fall in meine Rechnungen mit einbeziehen kann? Bin noch nicht so lange dabei, daß ich in den "früheren Jahren" schon mitgelesen habe.